Fortschritt versus Steinzeit

Bund und Länder haben im November 2015 die flächendeckende Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen zum 1. Januar 2016 beschlossen. Die technische Umsetzung in oscare® ist seitens AOK Systems kurzfristig erfolgt. Durch den Einsatz der eGK ist die Vergütung garantiert, der Verwaltungsaufwand reduziert und die Kommunen sind entlastet. Trotzdem bevorzugen einige den Behandlungsschein.

Kurzfristige Umstellung
Bereits Anfang Dezember, nicht einmal einen Monat nach Beschluss, erfolgte die Bereitstellung in der Software durch die AOK Systems. Die Lösung im Privatkundenmanagement ist durch die neue Anspruchsbescheinigung „ASYL“ für Versorgungsanträge im Fachverfahren Auftragsfall geschaffen. Zunächst musste die Administration von Asylbewerbern sichergestellt werden. Dazu wurde die Möglichkeit geschaffen, Flüchtlinge im System mit der Anspruchsbescheinigung „ASYL“ zu erfassen.

Damit einhergehend ist in oscare® ZWR die Abrechnungsfähigkeit verauslagter Leistungen gegenüber den beauftragenden Kommunen/Sozialhilfeträgern implementiert. Die Kassen können dort nunmehr ihre teils unterschiedlichen Vereinbarungen in Bezug auf die Verwaltungskostensätze etc. hinterlegen. Zusätzlich wird im Modul Business Partner der Anstoß zur Erzeugung eines Zuzahlungsbefreiungsausweises gegeben sowie das Merkmal 14018 („Belastungsgrenze 0 % ASYL“) erzeugt. Dadurch ist sichergestellt, dass dieser Personenkreis auch im System als zuzahlungsbefreit erkannt wird. 

Gemeinsam mit der VIACTIV Krankenkasse hat die AOK Systems die Qualitätssicherung durchgeführt, Fehler gab es keine. „Für dieses in kurzer Zeit durchzuführende Projekt war es sehr hilfreich, dass man die Berater der AOK Systems GmbH bereits persönlich kannte. Die Zusammenarbeit gestaltete sich hierdurch äußerst positiv, da bei dringenden Fragen der direkte Kontakt hergestellt werden konnte“, sagt Alexander Ratzko, oscare®-Anwendungsberater der VIACTIV. Die neue Anspruchsbescheinigung Asyl und die damit verbundene neue besondere Personengruppe für die eGK wurden gemeinsam mit dem Rechenzentrum Mobil ISC getestet.

Der Personenschlüssel ist auf dem eGK-Chip hinterlegt.

Dabei ging es im Wesentlichen darum, ob die richtige besondere Personengruppe auf der Karte ausgewiesen wird, damit der Prozess reibungslos läuft. Somit wurde die Testphase Ende Dezember erfolgreich und fehlerfrei beendet, so dass alle Beteiligten die gesetzlichen Anforderungen seit dem 1. Januar erfüllen. „Wir können sofort bundesweit mit dem Einsatz der eGK beginnen“, freut sich Sonja Lindner, oscare®-Anwendungsberaterin Privatkundenmanagement und Firmenkundenservice/FS-CD von der VIACTIV.

Vorteile, die überzeugen
In Bremen/Bremerhaven sind die Städte schon 2005 auf die dort ansässige AOK zugekommen, um die Betreuung der Asylbewerber mittels Einsatz der damaligen Kranken versicherungskarte zu übernehmen. Daraus wurde das bundesweit bekannte Bremer Modell, wegen der immens hohen Einsparung von Verwaltungskosten ein Erfolgsmodell. 2012, sieben Jahre später, folgte die Stadt Hamburg mit der gleichen Anforderung.

Die KVK hat in Bremen/Bremerhaven die Verwaltungskosten in den Kommunen gesenkt.

In Bremen und Hamburg hat der Einsatz der eGK auch nicht zu befürchteten Mehrbehandlungen geführt. Für Ärzte, Apotheken und Krankenhäuser ist die Abrechnung ihrer Leistung unkompliziert. Sie müssen nicht mehr wie bisher beim Behandlungsschein-Verfahren gesonderte Rechnungen ausstellen, sondern rechnen ganz einfach mit den Krankenkassen ab. Diese erhalten die Kostenerstattung für die Gesundheitsversorgung sowie einen finanziellen Ausgleich für ihren Verwaltungsaufwand von den Städten. Die Beitragszahler werden daher nicht belastet.

Altbewährtes optimiert
Neben dem schlanken, wirtschaftlichen und umsetzbaren Verfahren mit der eGK erfolgen auch ihre Zusendung und die des Zuzahlungsbefreiungsausweises automatisch. Trotzdem entscheiden sich nicht alle Kommunen für die einfache eGK, sondern bevorzugen die Ausgabe von Behandlungsscheinen an Flüchtlinge.

Die Länder sind laut Gesetzgebung in der Entscheidung frei, die Krankenkassen müssen entsprechend agieren. Der Freistaat Bayern beispielsweise hat die Entscheidung getroffen, die Optionslösung nicht in Betracht zu ziehen. "Ich halte die Bremer Lösung für sehr sinnvoll, für abrechenbare Sachleistungen gilt das SGB V, für genehmigungspflichtige Leistungen das Asylbewerberleistungsgesetz“, so Georg Steck, Telematikbeauftragter der AOK Bayern.

Gute Aussichten
„Als wir 2005 gestartet sind, gab es um die 2.000 Asylbewerber, heute reden wir von 25.000, die wir betreuen“, so Thorsten Schönherr, Abteilungsleiter Organisation und IT der AOK Bremen/Bremerhaven. „Der Andrang stellt uns vor die große Herausforderung, alle Meldungen manuell zu verarbeiten. Die Lösung besteht darin, eine maschinelle Schnittstelle zu schaffen, um die Datensätze einzuspielen und den Prozess zu optimieren.“ Daran arbeitet die AOK Systems bereits, die Auslieferung ist als Paket mit dem CR 14132 für das II. Quartal 2016 geplant. Neben der möglichen Annahme und Verarbeitung von Datensätzen aus externen Anlieferungen im XML-Format ist auch eine Belegleseschnittstelle und Verarbeitung in das Backendsystem oscare® PKM geplant.

Eine kleine Weiterentwicklung steht aus IT-Sicht noch aus. Mit dem CR 14333 wurde mit dem Release 4.03 die technische Infrastruktur für den Abrechnungs- und Erfassungsprozess der Asylbewerber ab 01.01.2016 zur Verfügung gestellt. Als Ergänzung zum bereits ausgelieferten Abrechnungs- und Erfassungsprozess für die Asylbewerber wird noch ein Kundencustomizing erweitert, um eine Differenzierung der Befristung der eGK auf die unterschiedlichen Anspruchsbescheinigungen vornehmen zu können. „Das wird als Auslieferungspaket Teil II des CR 14333 sein. Diesen haben wir für die Entwicklungsschiene Release 4.05 vorgesehen“, so Produktmanager Milan Ott von der AOK Systems.