Neue Chancen durch mobiles Arbeiten

Auch bei der gkv informatik ist seit März 2020 hauptsächlich Homeoffice angesagt. Wobei Personalchef Thomas Gleim lieber von mobiler Arbeit spricht. Für ihn bietet diese Entwicklung hauptsächlich Chancen und wäre auch ohne Corona der logische Schritt gewesen. Die größte Herausforderung sieht er dabei nicht in der Technik, sondern in sozialen Komponenten und einem neuen Verständnis von Führung.
 
Die Arbeitswelt ist nicht mehr das, was sie mal war. Wie hat Corona Ihren Arbeitsalltag verändert?
Der hat sich grundlegend verändert. Wobei ich überhaupt kein Problem darin sehe, weil ich mir zusammen mit unserem Geschäftsführer schon länger Gedanken mache, wie wir das Unternehmen attraktiver gestalten können.
 
Was meinen Sie damit?
Mobile Arbeit. Viele andere Unternehmen gehen diesen Weg längst. Und ich nenne es bewusst mobile Arbeit. Ich spreche nicht vom Homeoffice mit einem festen Arbeitsplatz zu Hause, abgeschirmt von der Familie, keiner darf rein. So etwas wollen wir nicht. Unser Ziel ist es, dass die Mitarbeiter sehr mobil arbeiten können, quasi ein Hybridmodell. Nicht nur eine Entscheidung zwischen im Büro oder zu Hause, sondern im Büro, zu Hause oder an irgendeinem beliebigen Ort, an dem die Technik funktioniert.
 
Virtuelle Kaffeepause mit Kollegen
Was versprechen Sie sich davon?
Wir glauben, dass uns das im Wettbewerb voranbringt. Es macht uns attraktiver als Arbeitgeber.
 
Zielt das nur auf den Nachwuchs?
Es gibt natürlich viele, die sich mit dieser Art der Arbeit auch schwertun. Aber das ist nicht immer eine Frage des Alters, das ist eine Frage der Haltung.
 
Wie und wo wir zukünftig arbeiten, ist also nicht mehr so wichtig, wichtig ist, was am Ende rauskommt?
Das könnte mein Satz sein. Das sage ich ständig zu meinen Kolleg(inn)en. Wobei es natürlich noch weitere wichtige Aspekte gibt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen und wollen soziale Kontakte. Das darf nicht zu kurz kommen.
 
Und wie sieht das derzeit bei Ihnen im Unternehmen aus?
Weit über 90 Prozent arbeiten von zu Hause. Wir haben sofort im März 2020 auf Remote-Arbeiten umgestellt. Und das hat nach kleinen Schwierigkeiten auch gut funktioniert. Wir haben schnell Vereinbarungen mit den Betriebsräten geschlossen. Die Arbeitszeiten können jetzt flexibel von montags bis samstags und von 5 bis 22 Uhr gestaltet werden.
 
Die Technik funktioniert, die Beschäftigten gehen mit – aber wie sieht es mit der Unternehmenssteuerung aus?
 
Eine Führungskraft ist Coach und Teammanager
Da tut sich die eine oder andere Führungskraft noch schwer. Viele sind gewohnt, immer ihre Schäfchen um sich zu haben. Da macht man eine Ansage und sagt, was zu tun ist. Das kann man heute nicht mehr machen. Wir müssen zusammen generell über das Rollenverständnis einer Führungskraft nachdenken.
 
Woran machen Sie das fest?
Wir haben im Mai die erste Online-Befragung gemacht, wie es den Mitarbeitern geht. Und wir checken jeden Monat, wann gearbeitet wird. Zwischen 5 und 6 Uhr loggen sich immerhin an der Hälfte aller Arbeitstage im Monat im Schnitt um die 160 Mitarbeiter ein. Viele Führungskräfte sagen dann: „Die machen nur die Maschine an und gehen Kaffee trinken.“ Und da sage ich den Führungskräften: Was ist wichtig? Dass ihr wisst, was die machen? Oder ist das Ergebnis wichtig?
 
Wie wichtig ist Vertrauen in dieser neuen Arbeitswelt?
Genau, das ist das Thema. Vertrauen ist sehr wichtig. Und dieses Verständnis versuchen wir im Unternehmen zu pushen.
 
Warum ist diese neue Arbeitswelt für einige Führungskräfte schwierig? Geht es um Bedeutungs- oder Kontrollverlust?
Es geht um Kontrolle. Aber eine Führungskraft sollte keine Kontrollinstanz sein, sondern eine Art Dienstleister, der dafür sorgt, dass die Mitarbeiter die optimalen Rahmenbedingungen haben. Sportlich gesprochen: Eine Führungskraft ist Coach und Teammanager.
 
Wechseln wir einmal auf die Seite der Beschäftigten. Sie sagten, dass soziale Kontakte innerhalb des Unternehmens wichtig, in der neuen Arbeitswelt aber schwierig sind.
Ja, der persönliche Kontakt etwa in der Kaffeeküche fehlt. Natürlich kann man hier auch viel digital machen, aber das passiert bisher nur in Teilen.
 
Warum?
Weil viele die neuen Möglichkeiten noch gar nicht kennen. Zum Beispiel, dass man sich per MS Teams zu einer virtuellen Kaffeepause trifft.
 
Wie wollen Sie das ändern?
 
In Zukunft werden die Beschäftigten mobil arbeiten, aber sie wollen sich auch treffen. Das hat die Online-Umfrage deutlich gezeigt. Mit der Initiative #neuesarbeiten wollen wir gemeinsam das Unternehmen verändern. Den Anfang machten drei Workshops in den Regionen, in denen wir unsere Planungen vorzustellen haben. Wir hatten maßstabgetreue Modelle der Geschäftsstellenräume dabei und die Mitarbeiter konnten mit Pappteilen ihre neuen Arbeitsplätze selbst zusammenstellen. Dazu gehört auch modernes und flexibles Mobiliar. Wenn nur noch 30 bis 40 Prozent der Belegschaft gleichzeitig im Büro sind, können wir die Büroflächen natürlich ganz anders gestalten. Es wird zum Beispiel Sitzgruppen und Telefonzellen für Meetings geben.
 
Hat neues Arbeiten noch einen weiteren Aspekt?
Ja, einen, der in der heutigen Zeit sehr wichtig ist und auch auf unser Image als attraktiver Arbeitgeber einzahlt: Wir wollen ein ökologischer Arbeitgeber sein. Wir wollen E-Autos und Monatstickets fördern. Vor allem aber: Wenn die Belegschaft weniger pendelt, ist das klimaneutraler.
 
So schlimm Corona die ganze Welt trifft, die Pandemie hat auch Nebenwirkungen, die durchaus positiv sind, oder?
Absolut, die Krise beschleunigt Entwicklungen wie die Digitalisierung oder eben die neue Arbeitswelt. Außerdem konnten viele wichtige Entscheidungen jetzt schneller getroffen werden. Und Corona hat gezeigt, dass viel mehr möglich ist, als viele gedacht haben.
 
Zur Person
Nach dem Abitur absolvierte Thomas Gleim die Ausbildung zum Offizier und diente von 1978 bis 1992 bei der Bundeswehr. Nebenher studierte er Wirtschafts- und Organisationswissenschaften an der Bundeswehruniversität Hamburg. Von 1992 bis 2017 war er Personalleiter bei der Barmer, von 2017 bis 2021 Bereichsleiter Personal und Organisation in der gkvi.
 
Die gkv informatik
Das Unternehmen wurde im April 2006 gegründet und beschäftigt aktuell rund 750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich auf die acht Standorte Hamburg, Kiel, Neubrandenburg, Rostock, Schwäbisch Gmünd, Schwerin, Teltow und Wuppertal verteilen. Der IT-Dienstleister betreut die AOKs Nordost, NordWest und Rheinland/Hamburg sowie die BARMER und die Hanseatische Krankenkasse (HEK), die zusammen rund 17 Millionen Versicherte betreuen. Das Kerngeschäft besteht aus IT-Entwicklung, der Steuerung von Providern als Full-Service-Integrator sowie IT-gestützten Services.