Die ePA erleichtert die Versorgung enorm

Das Hamburger Albertinen Krankenhaus gehört zu jenen Piloteinrichtungen in der Telematikinfrastruktur-Modellregion TIMO – das steht für „TI-Modellregion Hamburg und Umland“ – die seit Anfang des Jahres die elektronische Patientenakte (ePA) in ihren Alltag integrieren. Konkret bedeutet dies: Im gesamten Klinikum lässt sich die ePA nutzen, zudem werden Arztbriefe mittels Krankenhaussoftware automatisch in die Patientenakten hochgeladen. Christian Schöps, Oberarzt für Neurologie und Neurologische Frührehabilitation, erläutert im Interview die Vorteile des Projekts „ePA für alle“ im medizinischen Alltag.
Herr Schöps, wer genau ist an der „TIMO Hamburg und Umland“ alles beteiligt?
In der Modellregion sind rund 200 Arzt- und Zahnarztpraxen, Krankenhäuser, Apotheken, Reha-Einrichtungen, Pflegeeinrichtungen, Hebammen und weitere Leistungserbringer-Institutionen vereint. Sie alle generieren Erkenntnisse aus getesteten Anwendungen der Telematikinfrastruktur. Unterstützt wird dieses Netzwerk durch Partner aus Krankenkassen, Verbänden sowie durch Software- und Hardwarehersteller.
Hatten Sie beziehungsweise das Albertinen Krankenhaus denn schon im Vorfeld des Projekts „ePA für alle“ eine besondere Affinität zu digitalen Themen?
Bei mir persönlich ist das im Laufe der Zeit gewachsen. Dadurch, dass ich mich früher ab und zu darüber beklagte, wenn in Sachen IT etwas nicht perfekt funktionierte, kam irgendwann die entsprechende Abteilung auf mich zu und fragte: „Wir haben hier ein neues Software-Produkt – möchtest Du das vielleicht mal testen?“ Das ging schon etwa 2015 los. Das Albertinen Krankenhaus wiederum ist seit dem TIMO-Start 2023 mit an Bord. Seitdem haben wir schon mehrere Dinge mitpilotiert, so zum Beispiel das E-Rezept, den TI-Messenger oder KIM mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD).
Wie einfach oder schwierig war es, das Albertinen-Personal dafür zu motivieren, bei dem Projekt mitzumachen?
Dadurch, dass unser Krankenhaus schon zuvor an mehreren Pilotierungen beteiligt war, kommt das Ganze für die Kolleginnen und Kollegen zunächst einmal nicht wirklich überraschend – zumal die ePA ja ohnehin eingeführt wird. Unsere Beteiligung an der Modellregion hat dabei den großen Vorteil, dass der Support deutlich umfassender ausfällt als für Einrichtungen, die sich das alles später mithilfe irgendwelcher Erfahrungsberichte und Anleitungen im Do-it-yourself-Verfahren quasi selbst beibringen müssen.
Wie reagieren Patientinnen und Patienten? Die ePA ist ja nicht unumstritten.
Auch wenn das Thema ePA in den Medien bereits umfangreich behandelt wurde, muss man konstatieren: Der Wissenstand in der Bevölkerung zu diesem Thema ist eher gering. Viele interessiert es auch gar nicht. Das zeigt sich auch bei uns in der Klinik: Etwa zehn Prozent unserer Kassenpatientinnen und -patienten haben der ePA widersprochen, hinzu kommen weitere zehn Prozent unter den Privatpatientinnen und -patienten. Andersherum ausgedrückt: Bei 80 Prozent haben wir Zugriff auf die ePA.
Welche Vorteile bringt dies für Sie als Arzt beziehungsweise für die Klinik im Arbeitsalltag mit sich?
Unsere Notaufnahme bietet dafür ein gutes Beispiel. Hier kommen sehr viele ältere Patienten an. Diese können oft nicht kommunizieren, welche Vorerkrankungen bei ihnen vorliegen – schlicht deshalb, weil sie dafür zu krank sind oder auch, weil sie die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen. Wenn wir aus der elektronischen Medikationsliste (eML) in der ePA anhand der Medikamentenverschreibungen ersehen können, wer der zuständige Hausarzt ist, ist allein das unglaublich hilfreich. Das macht sich in der Tagesroutine bereits positiv bemerkbar, weil es die Versorgung tatsächlich enorm erleichtert. Um an die benötigten Informationen heranzukommen, musste das Personal in der Notaufnahme ohne ePA oft lange herumtelefonieren oder sich mit einer Übersetzungs-App behelfen. Dieses umständliche und zeitaufwändige Vorgehen fällt jetzt weg.
Welche Daten landen im Zuge des Pilotprojekts auf der ePA der Patientinnen und Patienten und wer hat alles Zugriff darauf?
Nachdem unsere Datenschutzbeauftragte alles sehr genau geprüft hat, können inzwischen alle Ärztinnen und Ärzte in unserem Krankenhaus auf die ePA unserer Patientinnen und Patienten zugreifen. Zudem sollen nach und nach alle Abteilungen den automatischen Upload in die ePA in ihren Alltag integrieren. Bis Oktober dieses Jahres soll das komplette Krankenhaus Arztbriefe automatisiert in die ePA einstellen. Hinzukommen sollen Befundberichte, zum Beispiel aus der bildgebenden Diagnostik oder OP-Berichte. Das Hochladen auf die ePA erfolgt dabei automatisch durch unser Krankenhausinformationssystem.
Wie darf man sich das im Einzelfall vorstellen?
Wenn beispielsweise ein Assistenzarzt bei uns in der Neurologie einen Arztbrief schreibt, schaue ich mir diesen zunächst an, bevor anschließend noch mein Chef ein Auge darauf wirft und den Brief dann freigibt. Das heißt: Wir haben am Ende ein Dokument vorliegen, das medizinisch überprüft und freigegeben wurde und bei dem wir sicher sein können, dass es nicht mehr verändert wird. Anschließend wird dieses verschickt – entweder digital per KIM-Nachricht oder per Post. Außerdem wird das Dokument elektronisch abgeschlossen und wandert in unser Archivsystem. Und in diesem Moment wird es auch automatisch in die ePA geladen, sofern kein Widerspruch vorliegt. Wie wichtig das ist, zeigt erneut das Beispiel der Zentralen Notaufnahme: Wenn eine Patientin oder ein Patient als Notfall ins Krankenhaus gekommen ist, später entlassen wird und am nächsten Tag zur Kontrolle in die Hausarztpraxis muss, ist der Entlassungsbericht auf dem Postweg zu diesem Zeitpunkt noch unterwegs. Mit dem automatisierten Upload in die ePA ist der Arztbrief jetzt für alle Weiterbehandelnden sofort verfügbar, sofern der ePA-Nutzung nicht widersprochen wurde.
In einer Pressemitteilung zum Projekt „ePA für alle“ wird auch auf den Mehrwert der elektronischen Medikationsliste (eML) verwiesen. Was hat es damit auf sich?
Die eML kann man auf Knopfdruck abrufen. Sie zeigt alle elektronischen Rezepte der vergangenen zwölf Monate an – und auch, ob diese tatsächlich eingelöst wurden. Wenn etwa jemand einen Schlaganfall erleidet und bei uns eingeliefert wird – das kommt durchaus mehrmals pro Woche vor –, dann liegt oft eine Sprachstörung vor. Mithilfe der eML auf der ePA haben wir in solch einem Moment in Sekundenschnelle einen Überblick, welche Medikamente die betroffene Person einnimmt. Also: Nimmt sie oder er einen Blutverdünner? Falls ja: welchen und in welcher Dosierung? Wurde das Medikament in der Apotheke abgeholt? Dann wiederum können wir davon ausgehen, dass die betreffende Person den Verdünner auch eingenommen hat. Oder wir sehen, dass das Medikament trotz Verordnung nicht abgeholt wurde. Das ist ungemein hilfreich.
Das Projekt „ePA für alle“ wurde im Juli formal abgeschlossen. Wie geht es jetzt weiter?
Ziel war es, die technische Funktionsfähigkeit sowie die Integration der ePA in den Versorgungsalltag der teilnehmenden Leistungserbringer-Institutionen zu überprüfen. Die Erkenntnisse, die wir und die anderen Kliniken in den vergangenen Monaten gewonnen haben, fließen in einen Abschlussbericht ein, den die gematik demnächst vorlegen wird. Für uns als Krankenhaus steht vor allem in puncto Dokumentenaufarbeitung noch eine Menge Arbeit an. Denn es werden sukzessive immer mehr davon in die ePA geladen. Nicht zuletzt im Hinblick auf den Medikationsplan erhoffen wir uns eine spürbare Arbeitserleichterung: Anstatt diesen wie bisher immer wieder aufs Neue von einer Papier- oder PDF-Vorlage händisch ins System eintippen zu müssen, wird dieser in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft in der ePA abgespeichert – und wir Ärztinnen und Ärzte müssen dann nur noch per Mausklick auswählen, welche der aufgeführten Medikamente tatsächlich verabreicht werden sollen. Dies ist nur ein Beispiel dafür, dass die ePA ständig weiterentwickelt wird, um im Versorgungsalltag Nutzen zu stiften. Das Thema ist noch lange nicht abgeschlossen.
