Stabiler und schneller: der neue Release-Takt

Bislang kamen zwei Releases im Jahr zur Auslieferung. Daneben gab es noch Support Packages und Hotfixe. Warum das nicht mehr zeitgemäß ist und sich ändern soll, lesen Sie im Interview mit Simon Eggert, Entwicklungsbereichsleiter bei der AOK Systems.
 
Herr Eggert, was ist passiert? Warum Bewährtes ändern?
Die gesamte AOK Systems ist zu der Überzeugung gekommen, dass sich etwas ändern muss. Insbesondere die Geschäftsbereiche Entwicklung und Service setzten dies Hand in Hand um, aber auch unternehmensweit wird daran gearbeitet. Hintergrund ist, dass in den vergangenen Jahren die Auslieferung über Support Packages und Hotfixe immer weiter zugenommen hat und auch mit Blick auf die Vernetzung weiter zunehmen wird. Das Hotfix- und SP-Verfahren war jedoch ursprünglich für Fehlerkorrekturen und nicht für die Auslieferung von Weiterentwicklungen gedacht. Dies führt bei unseren Kunden, den IT-Dienstleistern und der AOK Systems zu unnötigen Mehraufwänden, Verzögerungen und Frustration. Der neue Release-Takt ist darauf ausgerichtet, den in weiten Teilen bereits gelebten Konzeptions- und Entwicklungszyklus von drei bis sechs Monaten optimal zu unterstützen.
 
Warum heißt schneller ausliefern auch stabiler ausliefern?
Bislang waren halbautomatische Abgleichwerkzeuge für alle SAP-Entwicklungsobjekte verfügbar. Für neuere Entwicklungsobjekte, z.B. oData, CDS, BOPF, BRF+, stehen diese nicht zur Verfügung und sind auch seitens der SAP nicht geplant. Entwicklungsobjekte müssen also per copy-and-paste portiert werden. Eine Zunahme von schwer kontrollierbaren Fehlern ist die Folge. Dieser Prozess des Portierens ist sehr aufwendig, die Ressourcen, die wir dafür aufwenden müssen, stehen dann nicht für Weiterentwicklung und Wartung zur Verfügung. Aufgrund der Rahmenbedingungen - gesetzliche Vorgaben, Wettbewerbsrelevanz, agile Zusammenarbeit, Konkurrenzsituationen - können die Entwicklungen aber nicht „nicht portiert“ werden. Bei der aktuellen Vorgehensweise würden künftig zusätzliche QS-Maßnahmen erforderlich sein, die die Aufwände weiter erhöhen. Dem steuern wir mit den neuen Release-Taktungen entgegen.
 
Wie ist denn der aktuelle Status?
Der proof of Concept, der Machbarkeitsnachweis des neuen Release-Taktes mit der KUBUS IT beim CX Marketing System wurde erfolgreich durchgeführt und wird mit oscare® 5.05 produktiv gesetzt. Den neuen Zyklus, bezogen auf Gesamt-oscare®, haben wir den IT-Dienstleistern der Kassen im Rahmen der AOK Systems-Technologietage vorgestellt. Wir befinden uns seitdem in einem engen Austausch für die Feinkonzeption. In der Folge wurde der Release-Takt ebenfalls den Geschäftsführern der IT-Dienstleistern sowie dem AOK-Bundesverband präsentiert.
 
Und wie geht es dann weiter?
Konkret sollen in einem Service Release die SAP Basis Upgrade erfolgen, zukünftig möglichst ohne das Beimischen von neuen Fachentwicklungen vorgenommen, getestet und produktiv gesetzt werden. Dafür benötigen wir ca. zwei Monate. Selbstverständlich werden wir in dieser Zeit die Fachentwicklung nicht vollständig anhalten können, die Priorität liegt jedoch in dieser Zeit nicht auf der Weiterentwicklung, sondern auf dem Testen und Nutzbarmachen des neuen SAP Softwarestandes. In Feature Releases erfolgt die Fachentwicklung dann in ungefähr monatlichen Intervallen.
 
Was bedeutet das konkret?
Wenn die Gespräche mit den IT-Dienstleistern und den Kunden weiterhin gut verlaufen und wir gute Lösungen, insbesondere für die zu ändernden Implementierungs- und Testprozesse gemeinsam mit unseren Kunden vereinbaren können, werden wir voraussichtlich Mitte 2022 produktiv in den neuen Release-Takt wechseln. Hierfür sind jedoch einige Vorarbeiten erforderlich. Das Release 5.06 wird noch wie üblich hergestellt und produktiv gesetzt. Für das Release liefern wir ebenfalls noch ein SP5 aus. Das ist dann das letzte, echte Support-Package in der Geschichte von oscare®.
 
Und für wann planen Sie die neue Release-Taktung?
Das Release 5.07 wird ein Übergangsrelease. Unser Ziel ist es, den Übergang in den neuen Release-Takt, der auch bei unseren Kunden und IT-Dienstleistern mit enormen organisatorischen Herausforderungen verbunden ist, möglichst optimal zu gestalten. Das bedeutet, wir werden diesen Sommer in den Entwicklungssystemen, anders als sonst, kein Software-Refresh/Upgrade vornehmen. Das Release 5.07 soll in seinem Umfang und in seiner Komplexität möglichst geringgehalten werden. Die reduzierten Fachinhalte des Releases liefern wir dann mit 5.07 aus, während wir in der Entwicklung im Frühjahr 2022 bereits mit der Entwicklung des ersten Service Release beginnen, das dann die Aktualisierung des Softwarestandes beinhaltet.
 
Woran wird gerade gearbeitet?
Neben der Etablierung und Unterstützung des neuen Release-Taktes wird zurzeit an vielen Themen gearbeitet, über die wir in den kommenden Wochen und Monaten berichten, z.B. Planungsverfahren, Transportzeitpunkte, Testautomatisierung, Dokumentation und Remote-QS sowie Auslieferungsverfahren u. v. m.
 
Was ist die größte Änderung?
Zukünftig betrachten wir die Aktualisierung des SAP Basis-Upgrade, z. B. S/4HANA, isoliert und nicht wie bisher üblich am Anfang eines halbjährigen Entwicklungszyklus. Das bedeutet, wenn der Softwarestand bislang einen Fehler oder eine Besonderheit aufgewiesen hat, hatten wir sechs bis zwölf Monate Zeit, diesen zu finden, an den Softwarehersteller zu melden, korrigieren zu lassen oder unsere Software anzupassen. Künftig stehen hierfür nur noch zwei bis vier Monate zur Verfügung. Voraussetzung ist, dass der neue Softwarestand aktiv getestet und Anpassungen priorisiert vorangetrieben werden. Planbare Fachentwicklungen sollten nach Möglichkeit nicht für den Zeitraum des Service Releases in der Entwicklung vorgesehen werden, um so zu gewährleisten, dass dieser Anpassungsvorgang optimal läuft.
 
Und was ist der Schlüssel zum Erfolg?
Ein Faktor ist die Testautomatisierung, sodass wir ohne manuelle Tests sicher sein können, dass die Grundfunktionen von oscare® fehlerfrei funktionieren. Darüber hinaus ist die neue Kollaborationsorganisation die Grundlage für alles, insbesondere die frühzeitige Einbindung der Kunden in den Prozess. Gleich zu Beginn einer Anforderung startet die Vorbereitung für die Produktivsetzung der Entwicklungen. Am griffigsten wird das am Beispiel der Qualitätssicherung durch unsere Kunden: Wenn die QS erst wie heute nach der Auslieferung startet, kommen wichtige fachliche Anpassungen zu spät in die Produktion und es geht wertvolle Zeit verloren. Auch technische Korrekturen können ihren Weg nicht mehr rechtzeitig in die Produktion finden. Gelingt die frühzeitige Einbindung, soll der Kunde möglichst zeitnah ohne Verzug in den Test einsteigen und idealerweise durch unseren Testautomationsservice eine hohe Sicherheit und Testabdeckung erzielen.