Sicherheit geht vor Anwesenheit

Frank Hofmann, Leiter des ARGE AOK-Rechenzentrum
Steht die ARGE still, können rund 13.000 AOK-Beschäftigte in Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt nicht mehr arbeiten. Aber trotz Corona und Homeoffice rattern die Rechner weiter. Die Arbeit hat sogar deutlich zugenommen. Frank Hofmann, Leiter des ARGE AOK-Rechenzentrums, kurz ARGE, erklärt, wie das geht und wie wichtig Zusammenhalt und gute Führung dafür sind.
 
Wie hat Corona Ihren Arbeitsalltag verändert?
Es ist mehr Arbeit geworden, nicht nur bei mir, auch für meine Mitarbeiter. Die Grenzen zwischen privat und beruflich verschwimmen, da rund 90 Prozent der Mitarbeiter seit März in Einklang mit dem Pandemieplan der ARGE und in Abstimmung mit den Partnerkassen im Homeoffice sind. Man schaut abends noch einmal in den Rechner oder am Morgen gleich nach dem Aufstehen. Sieht man dort eine neue wichtige Mail, wird es meist auch gleich erledigt. Das ist ein Vorteil für den Arbeitgeber und eine Herausforderung für die Mitarbeiter. Dies hat sich zu der Zeit vor Corona geändert.
 
Wie steht es ums Betriebsklima?
Klar, die sozialen Bindungen leiden. Wir haben hier einen ganz besonderen ARGE-Spirit, der leidet, weil alle daheim sind. Aber Gesundheit geht vor Anwesenheit.
 
Was bedeutet das für die Führungskräfte?
Die Führungsarbeit ist anders. Ich kann nicht einfach mal nachschauen, ob jemand da ist und woran er gerade arbeitet. Jetzt muss ich über Ziele führen.
 
Und das funktioniert?
Der Betrieb läuft effizient weiter, auch im Homeoffice
Dazu braucht es genaue Ziele und viel Vertrauen. Ja, Vertrauen ist jetzt viel wichtiger. Und man muss auch viel mehr auf die Beschäftigten eingehen. Die Führung ist also wesentlich mehr gefordert. Aber die ARGE läuft weiterhin so gut wie vor Corona.
 
Hätten Sie sich das vor einem Jahr vorstellen können?
Absolut null. Wir kennen natürlich mobiles Arbeiten, weil wir das in unserem Beruf schon immer mal nachts oder am Wochenende machen mussten. Wir haben alle Laptops, aber das war nie definiertes Homeoffice. Aber jetzt nutzen auch die AOKs Telearbeit und haben Dienstvereinbarungen abgeschlossen.
 
Wird das auch nach Corona so bleiben?
Ja, aber ich denke, dass man so zwei, drei Tage die Woche vor Ort ist, weil sonst der soziale Kontakt verloren geht.
 
Geht das nicht auch digital?
Klar, machen wir ja auch schon. Die Arbeit ist insgesamt kollaborativer geworden. Jetzt trifft man sich nicht nur an der Kaffeemaschine, sondern im Chat. Wir haben ein Tool im Einsatz, mit dem man chatten und Videokonferenzen machen kann. Hier zeigt sich auch die Kreativität von den Mitarbeitern, die viele gute Ideen hatten. Die neuen Tools waren schnell installiert und werden gut angenommen.
 
Vieles geht ja jetzt nur noch digital. Wie waren Ihre Serverkapazitäten auf die neue Arbeitsweise, vor allem auch bei Ihren Kunden, vorbereitet?
Flexibilität ist gefordert, auch bei der Arbeitsweise
Klar sind wir durch die VPN-Einwahl und Telefonie schnell an unsere Grenzen gekommen. Da waren wir stark gefordert und mussten reagieren. Aber unsere Kunden haben bemerkt: Die IT ist nicht nur ein Kostenfaktor, sondern ermöglicht überhaupt erst, arbeitsfähig zu bleiben. Die Bedeutung der IT ist vielen in diesen Zeiten sicher bewusster geworden.
 
Aber Sie haben es hinbekommen oder waren Sie im roten Bereich?
Nein, wir haben es hingekriegt. Wir kriegen es immer hin. Da spreche ich nicht nur für mich, auch für die anderen IT-Dienstleister. So ist die IT, wir kriegen es immer irgendwie hin (lacht).
 
Wenn man jetzt sieht, was alles schnell und unkompliziert geklappt hat: Hat man oft einfach vielleicht doch zu viele Bedenken gehabt?
Es gibt einen Spruch: Machen ist krasser als Wollen. Aber es geht bei uns auch immer um Versichertengelder. Da muss genau überlegt werden, wie man die investiert.
 
Aber die Erfahrung zeigt jetzt doch, dass es auch anders geht.
Ja, absolut. Jens Spahn hat das gesagt: Die Coronakrise ist der Digitalisierungstreiber in Deutschland. Für mich ist sie eher ein Katalysator. Die neuen und digitalen Arbeitsweisen haben schon lange so vor sich hin gegart, Corona hat den Reifeprozess wesentlich beschleunigt.
 
Eine positive Nebenwirkung.
Auf alle Fälle. In vielen Bereichen hätte ich noch vor einem Jahr gesagt, das bekommen wir so nicht hin. Und jetzt ging es ruckzuck.
 
Und woran machen Sie fest, dass es funktioniert?
Die Kundenzufriedenheit ist nach wie vorgegeben. Die Prio-1-Störungen sind auch nicht mehr als sonst. Im November haben sie zwar im Bereich der VPN-Anbindung zugenommen, aber da arbeiten wir mit Hochdruck an einer Lösung. Insgesamt verhindern die neuen Arbeitsweisen aber nicht, Störungen schnell in den Griff zu bekommen. Die Beschäftigten schauen gleich morgens mal schnell in den Chat, ob was ist, und beheben es dann auch gleich. Das hat viele Vorteile, wir als Führungskräfte sind aber gefordert, dass die Arbeit nicht zum Nachteil der Beschäftigten verschwimmt. Wir werden virtuelle Town Halls abhalten und die Leute stockwerkübergreifend und mit Abstand zusammenbringen, um die Bindung untereinander zu stärken. Das ist wichtig für ein gesundes Betriebsklima. Und wenn wir die Krise überstanden haben, machen wir eine große Party.
 
Was haben Sie persönlich aus der Krise gelernt?
Wie wichtig ein guter Spirit ist – gerade wenn die Herausforderungen groß sind. Und eine gute Führungskultur ist wichtig, sonst geht der Zusammenhalt verloren. Und der wird in Zukunft noch viel wichtiger sein, da wir sicher alle zwei Tage oder so zu Hause arbeiten werden.
 
 
Zur Person
Seit 2016 leitet Frank Hofmann bei der AOK Niedersachsen das ARGE AOK-Rechenzentrum. Schon zu Schulzeiten baute er in Lindau am Bodensee einen EDV-Service auf und programmierte. Seine erste berufliche Station nach seinem Studium zum Diplom-Betriebswirt war 1997 die Projektleitung zur Einführung eines Dokumentenmanagement-Systems beim Deutschen Paketdienst. Danach wechselte er als Projektleiter „Informatik und Organisation“ zur Norddeutschen Landesbank. 2002 bis 2008 leitete er bei der HSH Nordbank den Bereich „Business Development Financial Markets“ und war Leiter „IT – Neue Produkte“. Zwei Jahre hatte er anschließend die Leitung des Geschäftsbereichs „IT-Strategie Financial Markets“ bei der Unternehmensberatung ZEB inne. Vor dem Wechsel zur AOK war er von 2012 bis 2016 „Head IT TechOps Germany“ bei Sandoz International.