Die Stadt der Zukunft

Handel, Bildung und Gesundheit: integrierte digitale Technologien

Die Welt wird immer digitaler, aber Deutschland schleicht hinterher. Das will der Digitalverband Bitkom in Kooperation mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund ändern. 14 Städte hatten sich beworben, fünf davon zogen in die Finalrunde des Wettbewerbs „Digitale Stadt“ ein. Auf dem ersten Digital-Gipfel der Bundesregierung am 12. und 13. Juni wurde Darmstadt zum Sieger gekürt und wird jetzt zu einer digitalen Musterstadt ausgebaut.

Nimmt man die durchschnittliche Internetgeschwindigkeit als Indikator für die Digitalisierungsrate eines Landes, sieht man deutlich, wo Deutschland derzeit steht – nämlich ziemlich weit hinten. Der Hochtechnologiestandort Deutschland hinkt auch im Jahr 2017 immer noch in vielen Bereichen – vor allem aber in der öffentlichen Verwaltung – der aktuellen digitalen Entwicklung hinterher. Nicht einmal in den Top 20 des „EU Smart City Ranking“ ist die Bundesrepublik vertreten. Liverpool bietet seinen Bürgern eine App zur Auslastung von Parkplätzen sowie Verkehrsinfos in Echtzeit, Stockholm reduziert mit seinem smarten Verkehrsmanagement Fahrzeiten um 50 und Emissionen um 20 Prozent und in Wien können die Bürger bereits mehr als 220 Amtsgeschäfte online erledigen. Und hierzulande? Das weiß jeder, der kürzlich einen neuen Ausweis beantragt oder per Brief mit dem Finanzamt kommuniziert hat.

Große Chance für Kommune
Der Wettbewerb „Digitale Stadt“ will dies endlich ändern. Auf dem Digital-Gipfel am 12. und 13. Juni in der Metropolregion Rhein-Neckar wurde Darmstadt zur Siegerstadt gekürt. Diese soll nun ab 2018 innerhalb von zwei Jahren mit Unterstützung von Sponsoren zur digitalen Modellstadt ausgebaut werden. SAP, Telekom, DPD, Intel, Hewlett Packard, Deutsche Bahn, eBay und viele mehr stellen Darmstadt ihre Ideen und Technologien zur Verfügung. Im Bereich Gesundheit kommt die neueste Technik von Vitaphone, Software AG, T-Online, Vodafone, DocMorris, Samsung und m.Doc zum Einsatz. „Von den Ergebnissen werden alle Städte und Gemeinden profitieren. Es wird sich zeigen, dass die Digitalisierung völlig neue Chancen für die Bürger, die Kommunen und den Standort Deutschland eröffnet und dass die Menschen ein hohes Interesse an digitalen Lösungen haben“, erklärt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Bewerben konnten sich Städte mit etwa 100.000 bis 150.000 Einwohnern. 14 Städte hatten mitgemacht, Heidelberg, Darmstadt, Kaiserslautern, Paderborn und Wolfsburg hießen die Finalisten.

Was die Bürger wollen
Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten, in Deutschland sind es sogar drei Viertel – und es werden künftig noch mehr werden. In den Städten sind die Arbeitsplätze, sie bieten ein großes Freizeit- und Kulturangebot und der Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung ist meistens deutlich besser als auf dem Land. Damit dies so bleibt, müssen die Städte sich modernisieren und dürfen den Anschluss an die digitale Entwicklung nicht verpassen. Die Digitalisierung ist dabei gleichzeitig Herausforderung und Chance. Für die öffentliche Verwaltung ist es eine Revolution. Die Prozesse – früher der Gang zum Amt – werden neu strukturiert und können zum Wohle der Bürger schneller, transparenter und effizienter gestaltet werden. Dadurch können gleichwertige Lebensverhältnisse und mehr Standortqualität für alle und überall realisiert werden. Im Vorfeld des Wettbewerbs hat die Bitkom in einer großen Umfrage ermittelt, was die Bürger sich wünschen: 71 Prozent der Bundesbürger ab 14 Jahren sind der Meinung, dass digitale Technologien eine höhere Lebensqualität in Städten ermöglichen. In der Altersgruppe von 14 bis 29 Jahren sind es sogar 84 Prozent. Ganz oben auf der Wunschliste stehen schnelles und kostenloses Internet, Systeme zur Verkehrssteuerung, die Online-Behörde oder Anmeldeportale für Schulen und Kitas.

Vorreiter für Europa
Handel, Mobilität, Sicherheit, Bildung, Gesundheit und Umwelt – alle diese Bereiche werden durch die Digitalisierung neu definiert. Als Stichworte nannten die Befragten: keine Wartezeiten auf dem Amt, bürgernah, kinderfreundlich, weniger Unfälle, lebendig, weniger Stress, keine Arztbesuche bei Kleinigkeiten oder weniger Lärm. „In der digitalen Stadt definieren wir Urbanität neu. Das Leben in der digitalen Stadt wird so effizient und bequem, so bürgernah und umweltfreundlich sein wie in keiner anderen europäischen Stadt. Wir wollen zeigen, dass Deutschland ein Vorreiter bei der intelligenten, digitalen Stadtentwicklung sein kann“, betonte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder zum Start des Wettbewerbs in Berlin. Online-Anwendungen können die Lebensqualität in vielerlei Hinsicht verbessern. Mehr Bürgerservice, Nachhaltigkeit, Luft- und Lärmemissionen oder die medizinische Versorgung gehören dazu. So wünschen sich etwa 79 Prozent der Befragten eine sichere digitale Krankenakte, 70 Prozent Onlinesysteme zur schnelleren Vergabe von Facharztterminen.

Quelle: Bitkom

Die smarte City
Darmstadt, die erste digitale Modellstadt, soll Impuls für Deutschland und Europa sein. Hier werden neue Technologien in der Praxis getestet und Erfahrungen gesammelt. Ziel ist eine funktionierende Smart-City-Lösung, in der alle Bereiche miteinander vernetzt sind. Wie die digitale Stadt konkret aussehen wird, wird von den lokalen Herausforderungen und Zielen vor Ort bestimmt. Wichtig ist, dass alle Akteure der Stadt mitmachen und mitgestalten wollen und können – damit sind vor allem auch die Bürger gemeint. Denn sie leben schließlich in der Stadt und um ihren Nutzen geht es. „Das Projekt der digitalen Stadt gelingt nur, wenn es partei- und branchenübergreifend von allen wichtigen Akteuren vor Ort unterstützt wird. Am Ende entscheidet die Stadt selbst über die konkrete Umsetzung einzelner Projekte. Dabei werden wir die Bürger von Beginn an umfassend informieren. Unser Wunsch ist es, dass sie das Projekt aktiv begleiten“, so Rohleder.