Neue Wege in der Tumortherapie

Die Meldungen zu den Möglichkeiten und Erfolgen von KI in allen möglichen Bereichen lassen nicht nach. Fast wöchentlich gibt es neue Erfolge. Derzeit ist es vor allem der Technikkonzern Nvidia, der mit seiner smarten Chiptechnologie die Entwicklung vorantreibt und eine „neue industrielle Revolution“ einläuten will. Ein Forschungsprojekt, an dem Bioinformatiker der Universität Heidelberg beschäftigt sind, will mithilfe von KI vorherzusagen, wie aggressive Hirntumoren auf bestimmte Wirkstoffe reagieren. In experimentellen Arbeiten in Verbindung mit KI-basierten und mathematischen Ansätzen soll ein Modell entwickelt werden, mit dem die Fähigkeit von Tumorzellen, sich an Therapien anzupassen, modelliert werden kann. So sollen mögliche Resistenzen vermieden werden. Das Projekt „Artificial Intelligence for treating Cancer therapy Resistance“ (AI-Care) ist ein standortübergreifendes Verbundvorhaben und wird an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau und am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg koordiniert. Die Carl-Zeiss-Stiftung (CZS) fördert die Forschungsarbeiten für einen Zeitraum von sechs Jahren mit fünf Millionen Euro.


Personalisierte und präzise Medizin

Hoch-invasive und aggressive Gehirntumoren, sogenannte Glioblastome, bestehen aus unterschiedlichen Arten von Krebszellen mit einer besonders hohen Plastizität. Das bedeutet, dass sie die Fähigkeit besitzen, sich an Therapien anzupassen und Resistenzen zu entwickeln, sodass konventionelle Behandlungen wie die Chemo- oder Strahlentherapie versagen. In der Verbindung von Einzelzell-Sequenzierungstechnologie und Methoden der KI wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die molekularen Schlüsselprozesse, die die Plastizität von Glioblastomen regulieren, charakterisieren und modellieren. Die Daten, die aus der Einzelzellanalyse von künstlich gezüchtetem Glioblastomgewebe gewonnen werden, werden mithilfe des Maschinellen Lernens verarbeitet. Auf der Grundlage eines daraus resultierenden Modells soll das Verhalten der Krebszellen kontrolliert, ihre Reaktion auf Medikamente vorhergesagt und personalisierte Therapien optimiert werden. Von ihrem Ansatz erhoffen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht nur neue Möglichkeiten bei der Behandlung von Glioblastomen und anderen Krebsarten, sondern auch neue Impulse für eine KI-unterstützte und personalisierte Präzisionsmedizin.


Eine innovative Grundlagenforschung

An den wissenschaftlichen Arbeiten sind insgesamt zehn Forschungsgruppen an den Projektstandorten in Heidelberg und Kaiserslautern-Landau beteiligt. Die Carl-Zeiss-Stiftung fördert die Forschungsarbeiten im Rahmen ihres Programms „CZS Durchbrüche: KI in der Gesundheit“. Damit sollen Universitäten in der Umsetzung innovativer und wissenschaftlich vielversprechender Grundlagenforschung im Bereich der KI-assistierten Gesundheitsforschung unterstützt werden. 1889 von dem Physiker und Mathematiker Ernst Abbe gegründet, ist die Carl-Zeiss-Stiftung eine der ältesten und größten privaten wissenschaftsfördernden Stiftungen in Deutschland. Sie ist alleinige Eigentümerin der Carl Zeiss AG und Schott AG. Ihre Projekte werden aus den Dividendenausschüttungen der beiden Stiftungsunternehmen finanziert.


Daten verbessern Behandlung

Die Arbeit des Projektteams könnte nicht nur neue Wege in der Behandlung des Glioblastoms, sondern auch anderer tödlicher Krebsarten eröffnen. Das Konzept einer KI-unterstützten personalisierten Präzisionsmedizin könnte damit Wirklichkeit werden. Um dieses Potenzial weiter zu erforschen, hat die Carl-Zeiss-Stiftung Ende 2022 eine Ausschreibung zu „KI in der Gesundheit“ veröffentlicht. In einem zweistufigen Verfahren wurden von einer Fachjury vier Projekte zur Förderung ausgewählt. Die interdisziplinären Teams an den Universitäten Heidelberg, Ilmenau, Kaiserslautern-Landau und Mainz erhalten über einen Zeitraum von sechs Jahren insgesamt 20 Millionen Euro – AI-Care ist eines von ihnen. Die dort erforschten KI-Modelle verbinden Machine-Learning-Ansätze mit der Fähigkeit, daraus abgeleitet Erklärungsketten aufzustellen oder Vorhersagen über mögliche Verläufe zu treffen. Dadurch soll ein datenbasiertes Arbeiten im Gesundheitswesen ermöglicht werden.


Digitalisierung und Gesundheit gehören zusammen

Im ersten Schritt wird die Verarbeitung von umfangreichen und heterogenen Datenmengen unterstützt. Im zweiten Schritt können Datenlücken künstlich geschlossen werden. Im dritten Schritt werden weitgehende Auswertungen durchgeführt wie zu Beispiel eine individuelle Handlungsempfehlung durch auf Wahrscheinlichkeit beruhenden Vorhersagen. „Mit unserem Fokus auf die Themen Künstliche Intelligenz und Life Science Technologies wollen wir Antworten auf die zwei drängenden gesellschaftlichen Herausforderungen Digitalisierung und Gesundheit geben. Mit der Ausschreibung verfolgen wir zwei Ziele: Wir wollen erstens mit Künstlicher Intelligenz Komplexität reduzieren und zweitens zu einer Verbesserung der Gesundheitsversorgung beitragen“, sagt Felix Streiter, Geschäftsführer der Carl-Zeiss-Stiftung. „In den geförderten Projekten sollen bestehende Daten nicht nur in ein Format gebracht werden, das Auswertungen erlaubt. Vielmehr sollen diese Datenmengen intelligent verknüpft, Lücken gefüllt und so beispielsweise sinnvolle Empfehlungen erzeugt werden.“


Autor/in: Daniel Poeschkens, Abteilungsleiter Marketing/Kommunikation