Forschung, Daten und Taten

Der Erfolg des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) in den vergangenen knapp fünf Jahrzehnten ist beeindruckend. Sowohl in der wissenschaftlichen Community und in der Gesundheitspolitik, aber auch in der AOK-Gemeinschaft ist die Expertise des WIdO gefragt. Die Expertinnen und Experten des WIdO aus den verschiedenen Professionen, wie beispielsweise der Ökonomie, Epidemiologie, Medizin, Pharmazie oder Informatik, publizieren und beraten auf der Grundlage -methodisch fundierter Analysen großer Datenmengen und stoßen damit Diskussionen zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens an.

Das WIdO leistet die methodische wissenschaftliche Grundlagenarbeit mit dem Ziel, die Gesundheitsversorgung qualitativ zu verbessern und auch wirtschaftlicher zu gestalten. Das ist die Leitidee und beschreibt zugleich die Kernaufgabe des WIdO. Es nimmt dabei stets zweierlei Perspektiven ein: Erstens, wissenschaftliche Erkenntnisse für die Praxis nutzbar zu machen, und zweitens, Fragen aus der Praxis auf die wissenschaftliche Agenda zu bringen. In beide Richtungen setzt das WIdO seit vielen Jahren wichtige Impulse. Die Forschung unterstützt die Gesundheitspolitik und auch die AOK-Gemeinschaft dabei, eine qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Darüber hinaus dient die Grundlagenforschung des WIdO dazu, Studien zur Weiterentwicklung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu erstellen.


Bei Google an der ersten Stelle

Aus der schier unerschöpflichen Menge an Daten aus dem Gesundheitswesen destilliert das Institut Zusammenhänge heraus, die sich vor allem mit der Qualität erbrachter Versorgungsleistungen und deren Wirtschaftlichkeit beschäftigen. Dabei stehen alle großen Leistungsbereiche im Fokus: Arzneimittel, Krankenhäuser, Heil- und Hilfsmittel, ambulante ärztliche Leistungen, die Notfallrettung, die Pflege oder Prävention sowie zunehmend auch die gesamte patientenorientierte Versorgungskette. Wer nach Daten und Fakten im Gesundheitswesen googelt, findet das Wissenschaftliche Institut der AOK unter den ersten Adressen – neben dem Gesundheitsministerium selbst und dem Statistischen Bundesamt.


Debatten mithilfe von Daten

Das WIdO hat sich eine sehr hohe Reputation als unabhängige Forschungseinrichtung erarbeitet. Im Rahmen gesetzgeberischer Prozesse wird das WIdO häufig, wie aktuell im Krankenhausreformprozess, mit seiner beratenden Expertise hinzugezogen. Neben der Beratung der Politik und der AOKs stellt das WIdO auch öffentliche wie auch AOK-interne Tools zur Verfügung, damit Expertinnen und Experten die selbstständige Analyse der vielen Daten ermöglicht wird. Die Expertise des Institutes findet international Beachtung und ist auf die intensive Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern im In- und Ausland zurückzuführen. Ob Fehlzeiten-, Krankenhaus- oder Pflege-Report, ob Arzneimittelstudien, Gesundheitsatlas, oder die Qualitätssicherung anhand von Routinedaten – die Studienergebnisse des WIdO belegen eindrucksvoll, wie mit Daten erfolgreich Debatten und die Versorgung vorangebracht werden können.


Interview mit der Geschäftsführung des Wido

Gemeinsam für eine bessere Versorgung

Helmut Schröder und Jürgen Klauber, die Geschäftsführer des WIdO, und Dr. David Scheller-Kreinsen, der stellvertretender Geschäftsführer des WIdO, erklären wie und warum das Wissenschaftlichen Instituts der AOK und dessen Analysetools den AOK-Expertinnen und -Experten helfen, ihre Aufgaben gut zu meistern.


Das WIdO wurde 1976 gegründet. Was war der Initialgedanke?

Klauber: Als das WIdO vor fast 50 Jahren gegründet wurde, war es der Gedanke in der Selbstverwaltung, die weitere Entwicklung der sozialen Krankenversicherung über wissenschaftliche Studien, Analysen und Beratung von einem eigenen wissenschaftlichen Institut der AOK-Gemeinschaft begleiten zu lassen. Im Fokus standen die Politikberatung und die Mitgestaltung der Rahmenbedingungen der Gesetzlichen Krankenversicherung bei einer Vielzahl von Einzelkassen. Mit den Fusionswellen und der Einführung des Kassenwettbewerbs stiegen die Anforderungen, die AOK-Gemeinschaft neben wissenschaftlicher Betätigung und Beratung auf der Bundesebene auch direkter bei der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen und wirtschaftlichen Versorgung zu unterstützen.


Wie hat sich die Arbeit des WIdO seither konkret verändert?

Schröder: Das WIdO bietet heute über die Beratung der AOK-Fachebene und der Politik hinausgehend datenbasierte Arbeitsumgebungen mit Software und Analysemöglichkeiten auf allen AOK- und teilweise auch GKV-Abrechnungsdaten an. Fragen zur ambulanten, stationären, der Arznei- und Heilmittelversorgung und deren Kosten, aber auch sektorenübergreifende Fragestellungen können beantwortet werden. Dies hat sich gerade auch in der Corona-Pandemie bewährt, da zahlreiche Fragestellungen ad hoc geklärt werden konnten. Es konnte identifiziert werden, in welchen Regionen Deutschlands Personen mit Vorerkrankungen leben, die ein erhöhtes Risiko für schwere Covid-19-Verläufe haben, welche Beschäftigtengruppen am stärksten von Covid-19-bedingten Arbeitsunfähigkeiten betroffen waren oder wie sich die Versorgung im Krankenhaus in der Pandemie entwickelt hat. Programmatisch ist der Kern des WIdO jedoch unverändert geblieben: Transparenz und wissenschaftsbasierte Empirie sollen einen Beitrag zur Weiterentwicklung einer qualitativ hochwertigen und wirtschaftlichen Versorgung leisten.


Wie kommen die Themen ins WIdO?

Scheller-Kreinsen: Durch die Einbettung des WIdO sowohl in die wissenschaftliche Community, die AOK-Gemeinschaft mit ihrer großen Expertise als auch in politische Prozesse können frühzeitig Themen erkannt werden, die das WIdO als relevant für die Zukunft identifiziert. Dabei hat das WIdO immer auch den Transfer in die Praxis im Blick, beispielsweise bei den rund 40 vom Innovationsfonds geförderten Projekten, die gemeinsam mit Universitäten und Forschungseinrichtungen durchgeführt werden. Beispielsweise untersucht das WIdO aktuell unter Nutzung von Machine Learning-Methoden, wie die stationäre Qualitätssicherung von der verknüpften Nutzung von Abrechnungsdaten der Krankenkassen und klinischen Daten profitieren kann. So münden die entwickelten Qualitätsindikatoren für die stationäre Versorgung und die Langzeitpflege in öffentlich verfügbare Produkte wie Navigatoren und Websites. Damit unterstützt die AOK eine gute Versorgung von Patientinnen und Patienten.


Das WIdO wertet die Daten der AOK-Versicherten aus. Sind sie repräsentativ für die GKV?

Schröder: Das Institut verfügt über lange Erfahrung in der Auswertung der Massendaten des AOK-Systems. Für die absolut meisten Fragen der Versorgungsforschung, etwa die Analyse von Versorgungsaspekten oder Qualitätsproblemen eines Leistungserbringers, ist es meist unerheblich, ob sich die Analyse auf AOK-Versicherte beschränkt, denn die AOKs verfügen über mehr als ein Drittel Marktanteil in der GKV bzw. rund 50 Prozent in der sozialen Pflegeversicherung. Aber auch dort, wo etwa sozioökonomische Unterschiede zwischen AOKs und restlicher GKV zu beachten sind, lassen sich oft methodische Lösungen finden. Für den Gesundheitsatlas Deutschland kommt beispielsweise ein innovatives alters-, geschlechts- und morbiditätsadjustiertes Hochrechnungsverfahren zum Einsatz, das Aussagen über Einwohnerinnen und Einwohner in Deutschland und seine 400 Regionen ermöglicht.


Ein Bereich ist die Politikberatung. Was kann das WIdO hier bewirken?

Scheller-Kreinsen: Der Auftrag zur Politikberatung fokussiert gemäß WIdO-Statut auf die Weiterentwicklung der sozialen Kranken- und Pflegeversicherung. Hier verfolgen wir den Anspruch, fundierte empirische Analysen für den Entscheidungsprozess bereitzustellen. Beispielsweise erfolgen regelmäßig Aufbereitungen für den Schätzerkreis zur Finanzentwicklung oder es werden gesetzliche Maßnahmen, wie das Preismoratorium für Arzneimittel, evaluiert. Unsere Expertisen werden in Anhörungen eingebracht, wie zuletzt Ende 2023 zum Krankenhaustrans-parenzgesetz oder zur Finanzierungslage der Krankenhäuser.


Ohne Datengrundlage kein Management. Wie tragen WIdO-Daten dazu bei, bei den AOKs Prozesse zu steuern? Was sind Beispiele aus der Praxis?

Klauber: Die vom WIdO bereitgestellten Arbeitsumgebungen mit Analysetools und spezifischen Auswertungen helfen den Fachexperten in den AOKs, ihren Aufgaben gut zu meistern. So nutzen die Krankenhausexperten das vom WIdO betriebene Krankenhausportal mit seinen diversen Angeboten zur Vorbereitung der Vertragsverhandlungen. Analysen der Entwicklungen im Arzneimittelmarkt bietet den Pharmaspezialisten, Vertragsexperten und Controllern die Software „Actrapid!“. Die von den AOKs abgeschlossenen Arzneimittelrabattverträge können von den AOKs hinsichtlich ihrer Wirksamkeit mithilfe der Software „ContrAct“ differenziert analysiert werden. Das WIdO liefert die Daten zur Be- und Abrechnung der Verträge mit einem Gesamtrabattvolumen von 2,1 Milliarden Euro pro Jahr.


Blick in die Zukunft. Was wird wichtiger: die Politikberatung oder die Aufbereitung von Daten für die AOKs als Grundlage für Managemententscheidungen?

Schröder: Beide Aspekte werden auch in Zukunft untrennbar miteinander verknüpft sein. Die Kompetenz des WIdO ergibt sich ja gerade dadurch, dass die Daten auch im Kontext der Versorgungsgestaltung vor Ort gedacht und verstanden werden. Nur so kann die fachliche Tiefe erreicht werden, die notwendig ist, um praxisrelevanten Erkenntnisgewinn zu erreichen und Konzepte zu formulieren, die vor Ort etwas bewirken können.


Fotokredit: WIdO


Autor/in: Fabian Obergföll